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José liebt Döner und Schnitzel

Mittelalterliche Städte, Weihnachtsbräuche, den Schulalltag in der St.-Lioba-Schule in Bad Nauheim und die Sprache lernt José Daniel Guzman aus Costa Rica in seiner Zeit bei Familie Hillen in Burg-Gräfenrode kennen. Hillens und der 18-jährige wissen die Vorteile des Schüleraustausches zu schätzen. Die drei Hillen-Kinder waren auch schon als Austauschschüler unterwegs.

Von Leonie Trebing

„Wir sind zu ihm gekommen, wie die Jungfrau zum Kind“, sagt Gast-Mutter Stefanie Hillen. Die Betreuerin von José Guzman ist eine Freundin der Familie, als sich zunächst keine Gastfamilie finden ließ, fragte sie im Bekanntenkreis nach, ob ihn jemand für vier Wochen aufnehmen könne. In dieser Zeit könne das Bürokratische geregelt und eine endgültige Gastfamilie für ihn gefunden werden. Zwei der drei Hillen-Kinder waren zu dem Zeitpunkt selbst im Ausland. Genug Platz war vorhanden. Weil aber auf beiden Seiten die „Chemie stimmte“ und das Gästezimmer frei war, ist José geblieben.
Er war vorher noch nie in Europa. Inzwischen hat er einige Metropolen besucht. „Die europäischen Städte mit ihren alten Kirchen seien schöner als zu Hause“, erzählt er. Prag, Barcelona und Heidelberg gefielen ihm sehr. In Costa Rica sei aber die Natur schöner, der Strand, das Meer. „Ich merke gerade, du musst noch die Natur in Deutschland kennen lernen“, entgegnet Mutter Hillen. „Hier gibt es auch schöne Flecken.“

José spricht sehr gut Deutsch. Zu Hause in San José hatte er es bereits ein paar Monate lang gelernt, war aber weit davon entfernt, flüssige Sätze zu sprechen. Das hat sich in Deutschland schnell geändert. Zunächst sprachen Hillens noch englisch mit ihm. „Irgendwann dachten wir uns: Er ist hier um Deutsch zu lernen, dann müssen wir auch Deutsch mit ihm sprechen“, erzählt Stefanie Hillen. Bis zu den Sommerferien nahm José an einer Deutschstunde teil, die die Lioba-Schule zwei Flüchtlingsschülerinnen anbot. Diesen Unterricht habe er sehr ernst genommen und dafür gesorgt, dass er keine Stunde verpasse. „Was die Deutschen von Latinos unterscheidet, ist die Lautstärke“, erzählt José. Die Deutschen seien reservierter und ruhiger, das fällt ihm in der Schule auf. „In Costa Rica kommen die Schüler sofort auf die Austauschschüler zu, um sie kennen zu lernen. Die deutschen Schüler waren ein wenig verhaltener.“ Dies bestätigt Gast-Schwester Anja Hillen (19). Sie hat mehrere Auslandaufenthalte in den USA hinter sich. „Wenn du als Austauschschüler dort bist, ist das eine Sensation an der Schule. Gefühlt jeder weiß darüber Bescheid, und jeder möchte mit dir sprechen.“, erzählt sie. „Hier in Deutschland sagt man bloß: Ach, die Amerikaner sind mal wieder da.“ Als ihre amerikanische Gast-Schwester zum Austausch gekommen war, trauten sich ihre Mitschüler zunächst nicht, auf sie zuzugehen. „Das liegt an der Sprachbarriere“, vermutet Mutter Hillen.
José hat sich gut eingelebt, besonders das Essen schmeckt ihm sehr gut. „Döner ist das Beste“, sagt er. „Und Schnitzel!“ Außerdem schmeckt ihm der Glühwein. Weihnachtsmärkte gibt es in Costa Rica nicht. Auch Adventskalender kannte er bisher nicht. Bei Familie Hillen hat José, wie seine Gast-Geschwister, einen selbst gemachten bekommen.
„Die Leute in Costa Rica haben zu Weihnachten entweder einen Baum aus Plastik oder eine Zypresse“, erzählt José. Die Menschen seien überwiegend katholisch, deswegen werde in vielen Haushalten über die Weihnachtszeit eine Krippe aufgestellt. Am 24. Dezember kommen die Familien zusammen, gehen in die Kirche, essen gemeinsam und verbringen die Zeit miteinander. Alle bleiben bis Mitternacht auf, um die Geschenke auszupacken. Die Kinder gehen nach dem Auspacken zügig ins Bett. „Am nächsten Morgen länger schlafen können die Erwachsenen nicht“, verrät er. „Die Kinder sind wieder früh wach, weil sie mit ihren neuen Geschenken spielen wollen.“
Im Januar ist der Austausch für José Guzman vorbei. Er könne sich vorstellen, wieder nach Deutschland zu kommen, um länger hier zu leben. Das komme auf seine weitere Berufsplanung an. Heimweh hatte er nie. Seit April ist er in Deutschland. Organisiert wird sein Aufenthalt über den Verein AFS Internationale Begegnungen.

 

Schüleraustausch mit AFS

AFS hat mehr als 60 Jahre Erfahrung beim Organisieren von Austauschprogrammen. Mit der Organisation ist ein Schulbesuch in etwa 50 Ländern auf allen Kontinenten möglich. Die teilnehmenden Austauschschüler sind zwischen 15 und 17 Jahre alt; das Höchstalter beträgt 18 Jahre. In einigen AFS-Gastländern ist ein Austausch ab 14 Jahren möglich. Sprachliche Vorkenntnisse sind nicht zwingend erforderlich. Zeugnisnoten spielen keine Rolle, solange die Versetzung nicht gefährdet ist. Der regelmäßige Besuch einer Schule im Gastland ist Pflicht. Die Preise unterscheiden sich je nach Gastland, ab 5590 Euro aufwärts. Jedes Jahr unterstützt AFS rund ein Drittel der Teilnehmer mit einem Stipendium.

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